Samstag, 11. Oktober 2014
Farbpsychologie: Rot verleiht Flügel
Signale für den Organismus

Farben sind eigentlich Signale für den menschlichen und tierischen Organismus. Sie warnen den Körper, wie er reagieren muss, sie zeigen ihm, worauf
er sich einstellen muss.
Denke doch einmal an dich selbst: auch Du stellst dich aufgrund der Farbe auf das Kommende ein. Unser Körper tut dies ganz automatisch, ohne dass
wir ihn beeinflussen können – z.B. beim Essen:
-Beiße in eine Zitrone.
-Schließe die Augen und stellen dir eine gelbgrüne, saftige Zitrone vor. Stellen dir jetzt vor, du beißt in diese Zitrone herzhaft hinein;
-spätestens jetzt wirst du bemerken, dass deine Speicheldrüsen zu arbeiten anfangen, weil sie sich auf ein saures Geschmackserlebnis vorbereiten.
-Schließlich hast du in deinem Kopf ein Bild einer Zitrone entstehen lassen, die, wie wir aus der Erfahrung wissen, höchst sauer ist.
-Manche machen sich derartige unbeeinflussbare Farbeffekte zunutze, in dem sie z.B. vor einem Blasorchester herzhaft in eine große gelbgrüne Zitrone beißen. Das führt dazu, dass die Musiker in ihre Instrumente spucken.

Mit einer grauen, roten oder blauen Zitrone funktioniert dies nicht. Unser Organismus hat gelernt, dass Gelbgrünes sauer ist und sauer schmeckt, dass sich der Körper bei Gelbgrün auch auf Saures einstellen muss.
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http://www.grafixerin.com/bilder/Farbpsychologie.pdf

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Samstag, 24. Mai 2014
Farbpsychologie: Farben – ein ideales Manipulationsinstrument
1.Überleben durch Farbe

Warum sehen wir unsere Welt eigentlich farbig und nicht in Schwarzweiß?
Wozu dieser opulente Aufwand der Natur? Warum sind einige Lebewesen
mit der Fähigkeit, Farben zu erkennen ausgestattet, andere aber nicht?
Warum können gerade die Menschen Farben sehen – damit sie von den
tollen neuesten knallroten Lippenstiftfarben noch stärker beeindruckt sind
oder Milka als Lila erkennen können? Das kann doch nicht die ursprüngliche
Funktion des Farbsehens gewesen sein.
Wie alles in der Natur, hat auch die Farbigkeit der Welt eine wesentliche
Funktion für das Überleben ihrer Bewohner. Die Farbgestaltung trägt dazu
bei, dass wir uns im Leben schneller und besser orientieren können und
dadurch (besser und leichter) überleben.
Farben sind keine Erfindung der Modeindustrie, eines Malers oder anderen
Künstlers. Sie wurden vom Schöpfer nicht dazu gemacht, um die Welt schö
-
ner zu gestalten, sondern haben auf das Leben der Menschen und auch der
Tiere einen erheblichen Einfluss. Farben enthalten Informationen, die das
gesamte Denken, Fühlen und Handeln prägen und steuern.

1.1. Für die Industrie und vor allem die Kommunikationswirtschaft ist das We
-
sentlichste, dass der Mensch die Wirkung von Farben willentlich so gut wie
nicht beeinflussen kann. Daher sind Farben geradezu ideal zur Manipulation
des Konsumenten geeignet.
Du glaubst das kann nicht möglich sein. Du lebst schon so lange in dieser
farbigen Welt mit ihren prächtigen grünen Bäumen und Wiesen, appetitlich
roten Erdbeeren, schwarzroten Heidelbeeren, den grellen Auswüchsen der
Modeindustrie und den knalligen Farben der Werbeplakate – und eigentlich
fühlst du dich überhaupt nicht beeinflusst? Das alles gehört für dich irgend
-
wie „dazu“, ohne dass es dir auffällt.
Stell dir eine Welt ohne Farben vor:
eine graue Erdbeere, von der wir nicht erkennen können, ob sie schon

reif ist – statt des satten Erdbeerrots, das uns das Wasser im Mund zu
-
sammenlaufen lässt;
eine graue Pflaume, die wir vielleicht kaum von einem Stein unterschei
-

den können – statt des satten prallen Lilablau einer reifen Pflaume, das
uns Appetit macht;
graue Wiesen, graue Blätter, graue Blumen, Trostloses anstelle von Be
-

ruhigendem, Schönen und Friedlichen;
Giftiges und Verdorbenes unterscheidet sich nicht mehr vom Ungiftigen,

Frischen.
Ein Leben in einer grau-in-grauen Natur ist schwer vorstellbar.
(Über)-Lebenshilfe in grauer Vorzeit
Gehen wir viele Millionen Jahre zurück in eine Zeit, in der es nur die Kom
-
munikationsmöglichkeiten der Natur selbst gab, also Geräusche wie Blitz
und Donner, Bewegungen wie z.B. Erdbeben und die Formen und Farben
der Natur, an denen man sich orientieren konnte. Überlebt haben vor allem
jene Lebewesen, die alle diese Zeichen richtig deuten konnten.
Ein Tier, das die rot lodernde Farbe des Feuers nicht erkennt und nicht recht
-
zeitig flüchtet, hat kaum Überlebenschancen; ein Organismus, der sich bei
blauen Himmel, blauen Wasser nicht entspannen kann, wird in kurzer Zeit
zu Grunde gehen etc.
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http://www.grafixerin.com/bilder/Farbpsychologie.pdf

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Dienstag, 24. Dezember 2013
Erfolg des Einfachen
Vorweg verraten:

empfehlenswert - zur Abwehr der Design-Ideen von Leuten, die nichts vom Web begriffen haben,
nützlich - für Profis, die hier in Zustimmung und Widerspruch vielfältige Anregung erfahren,
nicht empfehlenswert - für Anfänger und alle, die ein Lehrbuch brauchen.

Durchgelesen:
Jakob Nielsen's Web Design:
Erfolg des Einfachen.

Nicht zuletzt dank der jahrelangen Arbeit von Jakob-Nielsen auf seiner Website zu Nielsens Homepageuseit.com wissen wir, daß es nicht reicht, für Papier Geschriebenes umstandslos ins Netz zu stellen. Mit seinem Buch "Erfolg des Einfachen" zeigt er nun, daß auch der umgekehrte Weg seine Tücken hat. Eine Website, über Jahre zum kenntnisreichen Kompendium ausgeweitet, gibt auf Papier gebracht noch lange kein Buch. Zwar findet sich in den neun Kapiteln auf fast 400 Seiten viel Wissenswertes. Aber ein Buch, DAS Buch über gutes Webdesign und Usability, ist daraus nicht geworden. Und das kommt nicht allein daher, daß schon die Usability des Inhaltsverzeichnisses mit seinen ellenweit von den zugehörigen Einträgen entfernt stehenden Seitenzahlen sehr zu wünschen übrig läßt.

"Erfolg des Einfachen" ist der erste von zwei Bänden, der nach Auskunft des Autors das "Was" des guten Webdesigns behandelt - das "Wie" soll im zweiten erklärt werden. Ob diese Aufteilung praktikabel ist, weiß ich nicht. Nielsen hat sich jedenfalls wenig daran gehalten. Immer wieder stößt man schon in Band 1 auf sehr detaillierte Ausführungen bis hin zu Codeschnipseln, bei denen es eindeutig um das Wie geht, ohne daß freilich eine umfassende Darstellung von Instrumentarium und Verfahrensweisen des jeweiligen Gegenstandes gegeben würden (etwa die Abschnitte über Style Sheets und das Drucken im 2. Kapitel). So macht das einen unsystematischen und zusammengerührten Eindruck, und wirkt selbst da oft unbegründet oder willkürlich, wo man dem Autor in der Sache gerne zustimmen möchte.
Systematik - nein danke!

Denn in den Grundthesen ist Nielsen rundum zuzustimmen. Besucher einer Website - so kann man die Kernaussage zusammenfassen - wollen bestimmte Informationen erhalten oder etwas kaufen, und das schnell und mühelos. Wenn man ihnen den Weg zum Ziel mit schlecht ausgeschilderten Wegen, aufgeblähten Texten oder grafischen Kunststücken erschwert, verlieren sie schnell die Lust und gehen weg. Damit kann man nur einverstanden sein, und wenn man sieht, wie viele Websites diese einfachen Wahrheiten noch immer ignorieren, versteht man auch, daß Nielsen manchmal etwas ungehalten auftritt. Schließlich ist er einer der wenigen, die sich nicht nur theoretisch mit der Ergonomie des Internets beschäftigen, sondern auch zahlreiche Versuche und Interviews mit Anwendern durchgeführt haben, also über empirisches Wissen über den User, das unbekannte Wesen, verfügen.

In dem Buch eines der seltenen Web-Empiriker wünschte man sich freilich, daß die Grundlagen etwas ausführlicher dargestellt würden. Ein Satz wie: "Dieses Buch basiert auf Beobachtungen von Untersuchungen der Site-Usability mit ungefähr 400 Benutzern, die die unterschiedlichsten Lebensläufe haben und in den letzten 6 Jahren eine große Zahl verschiedener Websites besucht haben"(S.14) ist doch etwas mager. So läßt sich der Anspruch kaum begründen, hier "einen sehr systematischen Ansatz des Internetdesigns mit einer Reihe von Methoden (vorzulegen), die jeder dazu benutzen kann, Benutzerbedürfnisse zu entdecken und auftretende Schwierigkeiten zu bewältigen." (S.11) Oder, auf der gleichen Seite: "In diesem Buch werden Sie viele Regeln, Prinzipien, Richtlinien und Methoden finden. Alle kommen aus der Erfahrung, was tatsächlich funktioniert, wenn reale Benutzer versuchen, reale Aufgaben im Internet auszuführen."

Nun gut, schauen wir uns ein paar dieser Regeln aus dem ersten Kapitel "Seitendesign" an. Im Anschluß an eine (für deutsche Verhältnisse möglicherweise zweifelhafte) Statistik zur Verbreitung von Monitorgrößen im Jahr 1999 befindet Nielsen da (S. 28):

"Jedes Webdesign wird bei dieser Vielfalt von Geräten anders aussehen. Es ist eindeutig, daß WYSIWYG tot ist. Anstatt zu versuchen, jedem Benutzer das gleiche visuelle Bild anzeigen zu können, müssen Designer Seiten so entwerfen, daß diese Seiten individuell für jeden Benutzer und nach dessen Gegebenheiten optimiert dargestellt werden."

Und wie sollen die Designer das machen? Auf S. 33 verrät der Autor: "Das einzige Dateiformat, das Sie vertrauensvoll nutzen können, ist die originale HTML 1.0-Spezifikation. Alles was sich jenseits davon bewegt, könnte auch jenseits der Fähigkeiten der Rechner einiger Besucher sein."

Zurück zu HTML Ver.1 ?

Angesichts der Tatsache, daß die Standardisierung gerade den zu Nielsens Homepage großen Schritt von HTML 4 zu XHTML 1 macht und die aktuellen Browser den Umfang von HTML 3.2 nun wirklich weitestgehend unterstützen, klingt das doch etwas überraschend. Noch überraschender klingt es im Zusammenhang mit der (auf S. 35) verkündeten Regel, die Seitenbauer sollten neue Internettechnologien erst nach einer zweijährigen Karenzzeit übernehmen, um sicher zu sein, daß wirklich alle Browser mit dieser Technik etwas sinnvolles anfangen können. HTML 3.2, so erinnern wir uns dunkel, ist seit dem Jahr 1996 in Gebrauch und erfüllt damit die Zweijahresregel mit Leichtigkeit. Nicht nur an dieser Stelle besteht Anlaß, die mangelhafte Konsistenz von Nielsens Regelwerk zu beklagen.

So ganz ernst scheint Nielsen HTML 1.0 ? Warum nicht gleich plain ASCII ? seine erstaunliche Empfehlung ja auch selbst nicht zu nehmen, wenn er (im gleichen Kapitel, S. 77) mit Nachdruck die Verwendung von Cascading Style Sheets empfiehlt - obwohl die erst lange nach Version 1 zur Ergänzung von HTML entwickelt wurden und bis auf den heutigen Tag nicht von allen wichtigen Browsern umfassend und übereinstimmend ausgewertet werden. Ein ähnlicher Mißgriff unterläuft ihm (alles im gleichen 1. Kapitel) mit der Empfehlung des Title-Strings innerhalb von Anchor-Tags - das entspricht überhaupt keiner HTML-Version und wird als microsoft-proprietäre Ergänzung nur von Microsoft-Browsern verstanden. Dabei ist das an dieser Stelle verfolgte Ziel nachdrücklich zu unterstützen: Es geht darum, dem Betrachter einer Seite schon vor Betätigung eines Links etwas darüber zu sagen, wohin ihn dieses Link führen wird. Auf diese Orientierungshilfe haben die Anwender möglichst vieler Browser einen Anspruch, und diese Hilfe Hilfe durch 'sprechende' Linksist auch realisierbar , sogar HTML-Konform - aber eben nicht so, wie Nielsen das sagt.
Der doppelte Nielsen

Der Umstand, daß Nielsen nicht nur hier "allgemeine Regeln" aufstellt, an die er sich dann selbst (aus guten Gründen!) nicht hält, verweist auf ein Grundproblem seines Ansatzes. Wir kennen es schon von den Texten auf seiner Website. Allem Anschein nach gibt es nämlich zwei Jakob Nielsen: Der eine ist ein sehr intensiver und kenntnisreicher Beobachter des Webs und seiner Entwicklungen, der zahllose gute und schlechte Sites gesehen hat und sowohl die Standards kennt als auch die Tricks, sich um sie herumzumogeln. Der andere Nielsen ist der Ingenieur, der alles in Tabellen erfassen und in allgemeingültigen Regelwerken festhalten will. Und der "Webguru", von dem seine Gemeinde starke Sprüche erwartet und der dann auch manchmal in eine Diktion verfällt, die kaum weniger stark daherkommt als seinerzeit die 10 Gebote: "Fasse dich kurz. Man soll nicht mehr als 50 % des Textes schreiben, den man für ein gedrucktes Buch über das gleiche Material verwenden würde." (S. 101)

Ernstgemeint wäre das ausgesprochener Unfug. Im Rahmen der kommerziellen Websites für ein Massenpublikum, von denen Nielsen vorzugsweise spricht, kommen Texte dieser Quantität und Qualität ja ohnehin nicht in Betracht. Wo sie aber zu transportieren sind, machen es die Verfahren des Hypertextes möglich, den Umfang des Gebotenen noch über das im Buch empfehlenswerte hinaus auszuweiten - und trotzdem die einzelnen Informationseinheiten in einem handlichen Format zu halten. Selfhtml - die Energie des VerstehensStefan Münz' SelfHTML gibt ein schönes Beispiel, wie man das machen kann. Natürlich weiß Nielsen das auch. Auf der gleichen Seite 101 ordnet er an: "Verwende Hypertext, um die Informationen auf mehrere Seiten zu verteilen." Was denn nun? Kürzen, oder verteilen? Das kommt davon, wenn man Lehrsätze aufstellt, wo es nur ein "Es kommt darauf an" geben kann.

Guru Nielsen
Alle Leser "scannen"

Wenig tauglich zur Begründung eines Lehrgebäudes erscheint auch die in diesem Zusammenhang wiederholte These, mit der Nielsen seinen Ruf begründet hat: zu Nielsens ArtikelUsers don't read Web pages, they scan, (im Buch S. 104). Dabei gilt meine Kritik weniger der These an sich, sondern den Folgerungen, die daraus in der irrtümlichen Annahme abgeleitet werden, das "Scannen" sei eine Besonderheit des Lesens am Bildschirm. Jeder Zeitungsleser und auch die Fachbuchleser scannen die Seiten - bis sie gefunden haben, was sie suchen, und dann können sie davon oft nicht genug bekommen. Es führt also geradewegs in die Irre, wenn Nielsen in seinem berühmten Kommentar z. Übersetzung + Link zum OriginalBeispiel vom Nebraska-Promotion-Text mit einem in der Tat schlecht formulierten Lauftext anfängt und dann mit einer abgespeckten Liste endet, der er eine um 124% verbesserte Lesbarkeit bescheinigt (exakt gemessen, Herr Inschenör) - ohne zu erwähnen, daß dieser Fassung nicht nur ein paar Füllwörter, sondern auch die Hälfte des Informationsinhalts (die Besucherzahlen) abhanden gekommen sind.

Tatsächlich erwecken die Richtlinien Nielsens immer wieder den Verdacht, es gehe ums Kürzen (S. 103), um eine möglichst kleinteilige Strukturierung durch Überschriften (S. 104) oder grafisch hervorgehobene Schlüsselbegriffe (S. 106). Für die BILD-Zeitung mag das zutreffen, aber eine Webseite hat gegenüber der Zeitung einen enormen Vorteil: Sie kann die übersichtliche Darstellung eines "roten Fadens" mit ganzen Kaskaden von Hypertext hinterlegen und so den Informationsgehalt beliebig erhöhen, ohne die Übersichtlichkeit zu verlieren. Auch das weiß auch Nielsen, zumindets ahnt er es, wenn er schreibt: "Der Text sollte durch die Anwendung von Hypertext-Links kurz gehalten werden, ohne dadurch den Inhalt zu verkürzen... Langwierige und detaillierte Ausführungen können auf zweitrangige Seiten verschoben werden und Informationen, die nur einen Bruchteil der Leser interessieren, können durch einen Link erreichbar sein."(S. 112) Dem würde man noch bereitwilliger zustimmen, wenn Wendungen wie "langwierig", "zweitrangig" oder "Bruchteil" nicht den Eindruck hervorriefen, hier werde widerstrebend ein Kompromiss angeboten. Die Möglichkeit, Information als Hypertext aufzufächern, ist keine Notlösung, sondern einer der ganz großen Vorzüge des Veröffentlichens im Netz.
Nicht kürzen - linken!

Tatsächlich haben wir es im Web nicht nur mit dem von Nielsen empfohlen "Prinzip der umgekehrten Pyramide" zu tun, "das allgemein in Journalistikkursen unterrichtet wird"(S. 112), sondern mit zwei Pyramiden in verschiedenen Dimensionen. Die eine, die journalistische Pyramide geht auf jeder Seite von oben nach unten. Der Text erklärt erst so deutlich wie möglich, worum es geht, und reicht dann weitere Informationen in absteigender Wichtigkeit nach - bis zum "amerikanischen" Schluß des Artikels, der so geschrieben wird, daß man die letzten (Ab-)Sätze bei Platzmangel auch weglassen kann, ohne daß der Leser einen Verlust bemerkt. Dazu kommen die Hypertext-Pyramiden, die man sich nicht vertikal, sondern horizontal vorstellen muß. Ihre Spitze kann bei jedem beliebigen Wort im Text liegen, das als Hyperlink ausgeführt wird und damit eine Pyramide markiert, die sich "nach hinten" in den Bildschirm ausweitet, hin zu anderen Textmodulen und in das Datenuniversum des Internets. So erschließt sie - im Idealfall - immer mehr und immer detailliertere Informationen - als Angebot, das der Leser nutzen kann, wo es ihm dient, und das er ausschlägt, wo es ihn aufhält.

Kein Wort davon bei Nielsen, der hier statt dessen gleich zur Erörterung eines weiteren seiner Lieblingsthemen übergeht, nämlich zu der Behauptung, daß Leute äußerst ungern scrollen (S. 112) und die Seiten deshalb möglichst kurz gehalten werden sollen (S. 115). Auch hier weiß Nielsen es im Grunde besser, Diesmal steht das Dementi sogar auf der gleichen Seite. Zum Ergebnis eines Usability-Tests heißt es da: "Vielleicht 10 % der Benutzer scrollten über die Information hinaus, die sofort auf der Seite erschien. Die Ausnahme bildeten Leser, die eine Seite erreicht hatten, die für sie wichtige Informationen enthielt. In diesem Fall haben die Leser gescrollt."(112).
Jeder scrollt gerne - wenn es sich lohnt

"Bingo" möchte man da rufen, "er hat es" - aber er sieht es nicht. Die Forderung kann doch nicht sein, Seiten generell möglichst kurz zu machen und die Inhalte zu straffen, - selbst wenn dabei Information verloren geht. Das Ziel muß sein, den Informationssucher auf möglichst kurzem Wege dorthin zu führen, wo er hin will - und ihm dort alles zu geben, was man hat oder geben kann. Wenn es das richtige ist, wird der Besucher ohne Murren scrollen, wenn nicht, clickt er sich weg, so what? Und ein Trefferverhältnis von 1:10 ist sicher gar nicht so schlecht, ließe sich mit etwas mehr Einfühlung in Wünsche und Motive der Seitenbesucher vielleicht auch noch verbessern. Doch das vertieft der Autor nicht, sondern wendet sich einer Frage zu, deren Behandlung man eher im zweiten Band erwarten möchte: Dem Seitentitel, der jeder HTML-Seite zukommt, und unter dem sie nicht nur im Webbrowser, sondern auch in den Suchmaschinen aufgeführt wird. "Destillierter Inhalt" und "ein Diamant an Klarheit" soll der Seitentitel sein, mit 40-60 Buchstaben soll er den Inhalt der Website "völlig deutlich machen" und "auf schnelles Überfliegen hin maßgeschneidert" sein (s. 123) auch noch. Wow.

Das Kapitel über Inhaltsdesign weiß von Inhalten und den (unterschiedlichen) Erfordernissen ihrer Darstellung wenig bis nichts. Da wundert es denn auch nicht, in diesem Zusammenhang über die "inhaltsrelevante Bildreduktion" belehrt zu werden, bei der man ein Bild "zuerst auf 32% der Originalgröße" bringt und "das Resultat dann wiederum auf 32 Prozent" reduziert. "Das Endresultat ist 0,32x0,32 = 0,1 des Originals" lesen wir, ohne das Gemeinte wirklich verstehen zu können - und dann kommen 6 Seiten mit Bildern zur Illustration eines Sachverhaltes, den Sind denn alle Designschüler?jeder Designschüler schon im kleinen Finger hat, bevor er mit der Schule anfängt. Wow, wow.

Bei der Anlage dieses Buches hat es wenig Sinn, sich mit den weiteren Kapiteln auf gleicher Ebene auseinanderzusetzen wie mit den beiden ersten - irgendwann würde jeder die Lust verlieren, hier weiterzuscrollen. Für alle Kapitel gilt durchgängig, was bisher schon gesagt wurde: Immer wieder stehen interessante Beobachtungen neben unzulässigen Verallgemeinerungen, werden widersprüchliche Befunde nicht fruchtbar gemacht, oft tritt kategorischer Guru-speak an die Stelle von Analyse und Argument. Die empirische Basis der "usability Studies" bleibt allgemein unausgewiesen. Und sie wird auch nicht dadurch gestützt, daß der Autor des öfteren nicht über das schreibt, was er beobachtet hat, sondern über das, was er sich für die Was denn nun? Ein Zwischenruf.Zukunft wünscht.
Mit Nielsen gegen den DAU als Auftraggeber

Trotzdem läßt sich Nielsens Arbeit einiges Positives abgewinnen, und das nicht nur als respektable Materialsammlung. Und die in meinen Augen größte Schwäche des Buches, die Guru-Attitude und der Drang zur Aufstellung unzulässig vereinfachter Regeln, eröffnet listigen Seitenbauern eine höchst willkommene Möglichkeit: Warum nicht mit Nielsens Renommée gegen den DAU als Auftraggeber argumentieren, der Besuchern seiner Unternehmensvorstellung erst ein schickes, aber zeitraubendes Flash-Intro aufs Auge drücken will, ihnen dann ein irgendwie interaktives Gewinnspiel anbietet und als besonderen Leckerbissen dpa-Meldungen in Laufschrift quer über den Bildschirm tickern will - gerade so, wie er das auf der Site des Branchenführers gesehen hat. Der Trend in dieser Richtung ist ungebrochen, wie daran zu sehen ist, daß eine Kino-Veranstaltung wie Cyberpiraten.de - Laudatio und Kritik Scholtz' Cyberpiraten mit Preisen ehedem renommierter Institutionen geradezu überhäuft wurde. Dem gegenüber ist Nielsen wenn nicht immer, dann doch meistens, voll im Recht - und die apodiktische Redeweise wird plötzlich zum Vorteil., zumal sie durch die äußerst gediegene Aufmachung des Bandes (1300 g, 99,95 DM) wirkungsvoll unterstützt wird.

Unterstützt würde, wenn man das Buch auch lesen könnte. Titel und Verlag legen zwar die Vermutung nahe, das Buch sei Nielsen's Webdesign: Die Übersetzungins Deutsche übersetzt worden, doch in Wirklichkeit liegt der Text in einer unbekannten Sprache vor, die nur äußerlich ans Deutsche erinnert und so viele unverständliche oder sinnlose Passagen enthält, daß man ständig versucht ist, ins Amerikanische zurückzuübersetzen, um wenigstens etwas zu verstehen. Solche Schluderei ist für ein Buch dieser Preislage durch nichts zu entschuldigen.

Michael Charlier, 12/2000

http://www.webwriting-magazin.de/nielsen.htm

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